Esther Ofarim - article of the press - Concert Frankfurt 2003

Diesseits der Schmerzgrenze (taken from Frankfurter Rundschau)

Wie früher, doch ganz anders: Das triumphale Comeback der Sängerin Esther Ofarim in der Alten Oper

Von Daniel Bartetzko


Man hat sie nicht vergessen. Ihre letzte Tournee liegt gut 20 Jahre zurück, seit den späten Achtziger Jahren hatte sie sich fast vollends aus der Öffentlichkeit verabschiedet. Trotzdem strömten die Menschen zahlreich in die Alte Oper um ein Wiedersehen mit Esther Ofarim zu feiern.

In den sechzigern gelangte sie im Duo mit ihrem Mann Abi zu Ruhm. Mit ihrer Mischung als Folk und Schlager landeten sie Hit auf Hit. Bei Songs wie Cinderella Rockefella und vor allem der Bee Gees-Schmonzette Morning of my Life lag die Welt dem jungen Pärchen aus Israel zu Füßen. 1969 haben sie sich getrennt. Abi widmete sich fortan vor allem den Drogen, Esthers Solokarriere verlief auch ohne ganz große Hits weiterhin erfolgreich, etablierte sie jedoch immer mehr in der Rolle der Schlagersängerin.

Doch irgendwann hatte sie genug von Liedern, die sie nicht singen wollte: In Peter Zadeks Musical Ghetto übernahm sie die Hauptrolle und verabschiedete sich damit aus der Welt des Glamours. Nach Ghetto zog sie sich vollends von Deutschen Bühnen zurück. Um nun, 15 Jahre später, ein Comeback zu geben - und was für eines!

Kein einziger der Hits aus der "Esther & Abi"-Zeit ist heute noch im Repertoire, nur das Traditional Dirty old Town erinnert an diese Vergangenheit. Stattdessen singt sie viele israelische Lieder, einige Brecht/Weill-Stücke, Leonard Cohen, Beatles. So ist einerseits alles anders und dennoch genau wie früher. Denn an Esther Ofarim selbst scheint die Zeit spurlos vorübergegangen zu sein.

Mit dem ersten Ton ist sie wieder präsent: diese zarte Stimme, die doch solch eine unglaubliche Spannweite hat. Die zwischen operettenhaften Höhen gerade noch diesseits der Schmerzgrenze und subtilen Zwischentönen jede musikalische Facette verinnerlicht hat. Und die über die Jahrzehnte fast unverändert geblieben ist. Ihr Klang lässt wohl niemanden unberührt.

Gerade Dirty old Town wird so zur harten Prüfung, als nach großartigem Konzertbeginn kurz zu befürchten stand, es könnte nun in kammermusikalisches Geträllere abgleiten. Doch das wurde ausgerechnet mit She's leaving home von den Beatles umgehend zerstreut.

Wer ein Lied, das eine wirklich gewaltige Kitschfalle darstellt, in genau diesem Moment dermaßen ironisch und sarkastisch interpretiert, dem letzten "Bye Bye" noch ein keckes Winken hinterherschickt, der weiß genau, was er wie, wo und warum in ebendieser Form singt. Daher auch die Songauswahl, daher die sparsame Begleitung durch Piano, Violine und Klarinette. Neben Esther Ofarims Stimme ist mehr nicht nötig, um sämtlichen Stücken des nur eine Stunde dauernden Programms eine faszinierende Stimmung zu geben. Selbst Guten Abend, gut' Nacht geht so unter die Haut. Und das ist jetzt frei von jeglicher Ironie so gemeint.

So wurde dieser kurze, unspektakulär arrangierte Abend zum triumphalen Comeback. Der minutenlange Jubel des Publikums veranlasste die Sängerin, als letzte Zugabe ein zweites Mal das stärkste Lied des Abends, Noel Cowards Mad about the Boy zu bringen. Irgendjemand forderte zuvor zaghaft Morning of my Life, doch nicht einmal als selbstironisches Zitat fand es Platz.

Scheinbar hat sich die Verbitterung über diese Zeit ihres Lebens noch nicht ausreichend gelegt. Es müssen wohl noch einmal fünfzehn Jahre vergehen. Wir werden geduldig warten. Und wenn Esther Ofarim es dann noch immer nicht singen mag, gewiss trotzdem nicht enttäuscht werden. Denn darum geht es nicht mehr.

taken from  Frankfurter Rundschau

 

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